Spekulationen über den dauerhaften Aufenthaltsort des gesuchten Wirecard-COO Jan Marsalek gibt es viele. Derzeit fokussieren sich die Medien auf Russland. Angeblich soll Marsalek sich nahe Moskau unter dem Schutz des russischen Geheimdienstes aufhalten, gesehen wurde er dort allerdings bisher nicht. Es gibt Expertenmeinungen, die logisch nachvollziehbar eindeutig gegen diese Theorie sprechen. Würde die russische Regierung die eigene Reputation wirklich so leichtsinnig gefährden, um einen Wirtschaftskriminellen zu schützen? Gerade für den Kreml, der wegen Belarus aktuell ohnehin auf der weltpolitischen Bühne unter Beschuss steht, ist das unwahrscheinlich. Möglich ist allerdings, das Jan Marsalek sich unter dem Schutz einer eigens angeheuerten privaten Söldnertruppe zeitweise in Russland aufhalten könnte. Mit einem gesunden Finanzpolster und diversen Kontakten zu Oligarchen kann Marsalek jederzeit mittels eines Privatjets ein- und ausreisen, ohne dass zwingend Regierungsebenen und Geheimdienste involviert sein müssen. Gleichzeitig aber würde Marsalek in die Gefahr laufen korrupten Oligarchen eine Angriffsfläche zu bieten, sich ihm zu entledigen. Er hat Bargeld, besonderes Wissen und allem Anschein nach heikle Daten aus den Wirecard-Beständen, die auch Schwerkriminelle als durchaus lukrative Einkommensquelle für sich entdecken könnten.

Hat nicht gerade ein russischer Gesichtschirurg an ihm Hand angelegt, dürfte es alles in allem eine zu große Gefahr für Marsalek darstellen, sich dauerhaft in Russland aufzuhalten. Und sollte er sich keiner OP unterzogen haben: Ein ordentlicher Bart kann einem ebenfalls helfen, unerkannt zu bleiben. Und Länder in denen Bärte nicht auffallen, gibt es bekanntermaßen einige.

Hinweise zu Jan Marsaleks Fluchtmethode:

„Skiptracing“ ist ein moderner Begriff des Ermittlerjargons und bedeutet übersetzt so viel wie „Personenlokalisierung“. Ursprünglich um verschollene Zeugen in Kriminalfällen zu finden, wird es heute im allgemeinen Sprachgebrauch verwendet um alle möglichen Personen aufzuspüren, deren Aufenthaltsorte nicht einfach ersichtlich oder nachvollziehbar sind. Doch es gibt noch eine weitere Variante, deren Schwerpunkt in der Umkehr dieser Methodik liegt und die von unseren weltweiten Ermittlern perfektioniert wurde. Um es einfach auszudrücken: Genauso gut wie man durch Skiptracing Personen aufspüren kann, kann man sie dadurch auch verschwinden lassen. „Abzutauchen“ gilt heutzutage keineswegs mehr nur als eine Praktik, die Verbrechern dient, sich vor den Hütern des Gesetzes zu verstecken. Ganz im Gegenteil. Untertauchen kann in einer Vielzahl von Angelegenheiten äußerst hilfreich sein. Wird ein Klient beispielsweise bedroht, erpresst oder gestalked, so kann es zum einen vor allem zu seinem Schutz dienen, zum anderen kann es aber auch laufende Ermittlungen gegen die Urheber der Gefahr erheblich erleichtern. Personenkreise, die vor häufiger auf Reverse Skiptracing zurückgreifen sind vor allem Prominente, die in hitzige Medienskandale verwickelt sind, aber auch aus ihrem Betrieb scheidende Unternehmer, Bänker, die von einer Erpressung bedroht sind oder betrogene Ehefrauen gehören dazu.